Die Bekanntschaft – Unterschätzte Beziehung?


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Wir Menschen lieben es, über Beziehungen zu sprechen. Und meinen mit „Beziehung“ oder „ich habe eine Beziehung“ meistens eine romantische, eine Liebesbeziehung. Dabei gibt es so viele Arten von Beziehungen, an die meisten von ihnen verschwenden wir kaum einen Gedanken: Freundschaften, Arbeitsbeziehungen, Liebesbeziehungen, Verwandschaftsbeziehungen, ärztliche Beziehungen, Geschäftsbeziehungen, therapeutische Beziehung, Bekanntschaften u.v.m. Ich möchte heute einer sehr unterschätzten Beziehungsart ein wenig Raum geben, der Bekanntschaft.

Das 200 Menschen Umfeld

Die Forschung hat gezeigt: in der Regel haben wir Menschen ein Umfeld von etwa 200 Personen, die uns bekannt sind. Im ersten Moment erscheint das recht viel, denken wir jedoch an ein Dorf, erscheint die Zahl wieder eher wenig. Trotzdem kann man sich die Frage stellen: wer sind denn die 200 Menschen in meinem Leben, die ich kenne? Und, müssen alle Freund:innen sein, oder ist es vielleicht auch einfach ganz angenehm, manche Personen hin und wieder auf der Straße zu grüßen oder in der Nachbarschaft zu treffen, ohne die Verpflichtung einer Freundschaft einzugehen?

Bekannte brauche ich nicht, ich habe genug Freundschaften

Nun könnte man denken: ich habe doch genug Freundinnen und Freunde und allein das ist schon so viel Arbeit, wofür sollte ich da noch Bekannte brauchen? Klar, Beziehungen zu pflegen ist Arbeit. Aber der Mensch ist ein soziales Wesen, wir überleben dank unserer Fähigkeit zur Kooperation. Und das Schöne an Bekanntschaften ist, dass sie unser Leben bereichern und vielfältig, spannend machen. In meinem Bekanntenkreis kann ich gut mit jemandem umgehen, der oder die z.B. politisch völlig andere Ansichten hat. Jedes Wochenende mit einer solchen Freundin zu verbringen wäre vermutlich anstrengend. Aber dosiert kann es etwas belebendes haben, in eine Diskussion einzusteigen und den eigenen Horizont zu erweitern. Natürlich kann ich von einer Bekannten weniger Unterstützung erwarten als in einer Freundschaft, aber ich habe auch weniger Verpflichtungen. So gewinne ich die Freiheit, Menschen zu begegnen, die meinen Horizont erweitern, mich zum Nachdenken anregen oder manchmal nur zu der Erkenntnis bringen, dass ich mir meiner Meinung sicher bin. Je mehr unterschiedliche Beziehungen ich führe, desto reichhaltiger wird mein Leben.

Hier gehöre ich hin

Wir Menschen möchten dazugehören, uns als Teil einer Gruppe erleben. Die Debatte um Rassismus zeigt (neben vielen anderen Dingen): wir möchten uns aussuchen dürfen, zu welcher Gruppe wir gehören, nicht einfach abgestempelt werden als Teil einer Gruppe, zu der wir uns nicht zugehörig fühlen. Aber eben auch: wir unterteilen Menschen in Gruppen, denken in „Die“ und „Wir“. Das ist an sich auch nichts Verwerfliches, aber etwas, dessen wir uns bewusst sein sollten: Es tut gut, sich zugehörig zu fühlen, Teil von etwas zu sein. Und hier kann das Umfeld der Bekannten eben einen großen Teil dazu beitragen. Und das Schöne daran ist: es braucht keine bestimmte Eigenschaft, keine Nationalität oder andere Kriterien. Um mich dieser Gruppe zugehörig zu fühlen muss ich mir einfach nur dessen bewusst sein, dass mir diese Menschen sympathisch sind und sie unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Beruf oder Hautfarbe einfach Teil meiner Welt sind und diese bereichern.


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