Glaubenssätze – wie sie uns im Berufsleben beeinflussen


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In Beratung und Therapie die eigene Weltsicht einen besonders hohen Stellenwert. Immer wieder wird mir in diesen Gesprächen aber auch deutlich, wie viel Bedeutung die Auseinandersetzung damit auch mit dem täglichen Zusammenleben und das Verständnis verschiedener Menschen füreinander zu tun hat. Sehr schön auf den Punkt bringt es finde ich das folgende Zitat:

„Wenn den Leuten klarer wäre, dass ihre Weltsicht nicht neutral ist, sondern aus den Verhältnissen entstanden ist, in denen Sie leben, könnte man besser darüber sprechen, wie man die Verhältnisse zum Guten ändern will.“

Margarete Stokowski in der Kolumne des Spiegelmagazins zur Bundestagswahl 2021

Wie die eigene Weltsicht entsteht

Aus den Erfahrungen die wir als Kinder machen, leiten sich sogenannte Glaubenssätze ab, also Annahmen, wie die Welt, Beziehung zu anderen Menschen und zu mir selbst funktionieren. Es gibt positive, wie auch negative Glaubenssätze, welche, die unmittelbar den Selbstwert betreffen („Ich genüge nicht“), welche über die Beziehung zu den Eltern („Ich falle zur Last“), welche, die eine Lösung des Problems darstellen („Ich muss es alleine schaffen“) und Glaubenssätze über die Welt im Allgemeinen („Männer sind böse“).
Sie sind tiefe und zumeist unbewusste Überzeugungen über uns selbst, unseren Selbstwert und unsere Beziehungen. Die Eltern tragen die Glaubenssätze normalerweise nicht aktiv in ihr Kind hinein, sondern Glaubenssätze stellen den Versuch des Kindes dar, sich die Welt zu erklären. Manchmal kann man die eigenen aber enttarnen, indem man an Sprüche aus der Kindheit denkt („Indianer kennen keinen Schmerz“).

Wie sehen Glaubenssätze aus

Glaubenssätze sind ganz einfache Sätze, die wie innere Programme funktionieren, mit deren Hilfe wir die Wirklichkeit interpretieren. Sie bestimmen daher maßgeblich darüber, wie wir wahrnehmen, fühlen, denken und handeln, sind sozusagen die Brille, durch die wir die Welt sehen. Dadurch, dass sie auch den Blick auf uns selbst bestimmen, sind sie gewissermaßen auch die Programmiersprache unseres Selbstwertgefühls. Sehr verständlich und ausführlich beschreibt die Psychologin und Autorin Stefanie Stahl dieses Phänomen in ihren Büchern.

Ohne Verständnis kann man sich die eigenen Glaubenssätze nicht bewusstmachen und ohne ein Bewusstsein der eigenen Prägungen kann man sie nicht verändern. Unsere Kindheitsprägungen sind also von großer Bedeutung, wenn wir uns selbst und unsere Interaktionsmuster verstehen wollen. 

Auswirkungen im Berufsleben

Auch wenn wir möglichst versuchen, im Berufsleben eine professionelle Haltung einzunehmen und die privaten Gefühle draußen zu lassen, die Brille unserer Weltsicht haben wir auch hier auf. Und das zeigt sich in verschiedenen Dingen: dem eigenen Umgang mit Pausen, Workload und der Work-Life-Balance erkennen wir unseren Umgang mit uns selbst. Im Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen zeigen sich unsere Beziehungserfahrungen. Bei der Einhaltung von Regeln und Grenzen zeigt sich, was wir als Kinder erfahren haben. Das kann z.B. im Thema Pünktlichkeit aber eben auch in der Einhaltung von Terminen oder festgelegten Meeting-Zeiten deutlich werden. Und selbstverständlich gibt es auch in der Arbeit Konflikte mit Kolleg:innen, Vorgesetzten oder Kund:innen. Auch hier kann sich unser Beziehungsverhalten, aber eben auch die Weltsicht (alle sind gegen/für mich) zeigen.

Reflexion der eigenen Glaubenssätze

Auch für Menschen, die ohne psychische Erkrankung und belastende Symptome leben, kann die Auseinandersetzung mit den eigenen Glaubenssätzen also hilfreich sein. Denn diese werden ob wir es wollen oder nicht im Berufsleben wirksam. Ich möchte Sie daher zu einer kleinen Reflexion einladen. Nehmen Sie sich etwas Zeit, schreiben Sie Ihre Erkenntnisse vielleicht auf und stellen Sie sich die folgenden Fragen: Wie haben Sie die Beziehung zu den für Sie wichtigen Bindungspersonen erlebt? Wie wurde diese Beziehung gestaltet, was war für Sie schön, was schwierig? Welche Gefühle lösen diese Menschen in Ihnen aus? Wie wurde in Ihrer Familie der Umgang mit Gefühlen gestaltet? Wie wurde auf Ihre Gefühle reagiert, wie sind die anderen Familienmitgliedern mit den eigenen Gefühlen umgegangen? Wie wurde mit Regeln, Grenzen & Konflikten umgegangen? Gab es Regeln und Grenzen, wer hat diese festgelegt, wie wurde auf Übertretungen reagiert? Wie wurde mit Ihren Grenzen umgegangen und wie gehen Sie heute damit um? Und wie wurden Konflikte in Ihrer Familie gelebt?


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