Für sich selbst einstehen im Beruf


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Vielleicht kennen Sie das: eigentlich machen Sie zu wenig Pausen, verdienen zu wenig, würden gerne flexibler arbeiten, brauchen eine längere Mittagspause, möchten Stunden reduzieren. Möglicherweise würde der:die Vorgesetzte:r Sie sogar darin unterstützen, aber es fällt wahnsinnig schwer, das Gespräch zu suchen und dann dort für sich selber einzustehen. Selbstfürsorge und das Schützend er eigenen Ressourcen sind enorm wichtig um psychische Erkrankungen wie Burnout zu vermeiden. Daher möchte ich heute zu diesem Thema einige Denkanstöße geben.

Verhandlungsspielraum ausloten

Zunächst empfiehlt es sich, den überhaupt vorhandenen Spielraum auf Arbeitgerber:innenseite auszuloten. Wenn ich beispielsweise in Erfahrung bringe, dass meine Kollegin um die 1000€ mehr für den gleichen Job bekommt, fällt die Forderung nach einer Gehaltserhöhung um 400€ sehr viel leichter als wenn ich davon ausgehe, dass alle viel gleich verdienen. Hier geht es also einerseits darum, für sich selber die Verhandlung einfacher zu machen um Schuldgefühle zu vermeiden. Andererseits aber auch darum, einen realistischen Blick auf die eigene Forderungen nach Mehr zu erhalten.

iDeals

iDeals (vom englischen idiosyncratic) sind individuelle Aushandlungen bestimmter Bedingungen, die von üblichen Standards abweichen. Im Unterschied zu ungerechtfertigter Bevorzugung oder Benachteiligung geht es hier um legitime Aushandlungen von Bedingungen wie Arbeitszeit, Flexibilität, Entwicklungsmöglichkeiten oder Arbeitsaufgaben. Eine Verhandlungsbasis ist inzwischen fast normale Grundlagen eines Beschäftigungsverhältnisses, auch wenn das häufig nur für neue Mitarbeitende gilt, da für die Alteingesessenen der bestehende Vertrag natürlich weiterhin gilt. Es gibt auch häufige Tricks der Arbeitgeber:innen um zu viele iDeals zu vermeiden. So wird beispielsweise die Angst vor dem Neid von Kolleginnen und Kollegen ausgenutzt um das Bekanntwerden der Deals zu verhindern. Als Maßnahmen für mehr Gerechtigkeit in Unternehmen (um z.B. der Veränderung von Familienstrukturen entgegenzukommen) sind iDeals aber wichtige Bestandteile moderner Unternehmensführung. Vielleicht hören Sie sich einfach mal um: gibt es in meinem Unternehmen solche iDeals? Wie sieht der Verhandlungsspielraum aus?

Gerade im Rahmen eines guten Abteilungsklimas können individuell ausgehandelte Konditionen ja auch besprochen und die Kolleg:innen darin unterstützt werden, ihre Arbeitssituation für sie möglichst gut umzugestalten. Von Zufriedenheit der Mitarbeitenden profitieren schließlich alle, nicht nur die Unternehmensleitung.

eigene Bedürfnisse kennen

Es gilt das Prinzip: „choose your battles“. Bevor Sie in irgendeine Form von Verhandlung einsteigen, empfiehlt sich die Frage: was möchte ich eigentlich erreichen und was davon ist mir am wichtigsten? Der Charakter einer Verhandlung sind Zugeständnisse auf beiden Seiten, also kann ich nicht immer alle Wünsche erfüllt bekommen. Vielleicht kann sogar ein Konsens erreicht werden. Für den Fall, dass das nicht möglich ist, sollte ich aber meine Schmerzgrenze kennen und wissen, was ich unbedingt brauche.

Selbstfürsorge vs. Egoismus

Immer wieder geht es auch in meinen Beratungen um den kleinen aber feinen Unterschied: wann bin ich egoistisch und wann selbstfürsorglich? Deshalb möchte ich diesen kleinen Hinweis noch dem vorherigen Absatz anschließen. Erinnern Sie sich bitte kurz zurück an Ihre letzte Flugreise. Bei den Sicherheitsinstruktionen Zum Thema Sauerstoffversorgung heißt es: immer zuerst die eigene Maske aufsetzen und dann anderen helfen. Aber warum ist das so? Müssten nicht zu erst die Schwächsten versorgt werden? Das Prinzip ist simpel: wenn ich selbst meine Kräfte nicht schütze, werde ich ohnmächtig und kann überhaupt niemandem mehr helfen. Das gleiche Prinzip gilt (aus psychologischer Sicht) zur Unterscheidung von Selbstfürsorge und Egoismus. Manchmal muss ich die eigenen Bedürfnisse über die der Anderen stellen um meine Kraft zu erhalten und diese dann zum Wohl anderer einsetzen zu können. Und das umfasst eben nicht nur körperliche, sondern auch psychische Bedürfnisse. Klar, von außen kann das egoistisch wirken, immerhin stelle ich meine Bedürfnisse über die der Anderen, in der Intention unterscheiden sich die beiden also erstmal nicht. Aber der Effekt ist, dass ich wieder mehr Geben kann sobald ich selber einmal Luft holen durfte.


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