Kann man Lügen erkennen?


Lesedauer: 4 Minuten

Ein schon etwas länger zurückliegender Radiobeitrag, in dem ich einige Fragen beantwortet habe, beschäftigte sich mit dem Thema Geheimnisse. Im Beitrag ging es auch darum, inwiefern Geheimnisse wichtig sind für die Entwicklung von Kindern und wie Eltern sich entwicklungsfördernd verhalten können. Eine Zusammenfassung des Radiobeitrags gibt es in diesem Artikel.


In Zusammenhang mit dem Thema Geheimnissen kam ich auf das Lügen an sich. In meinem Beruf setze ich mich immer wieder mit spannenden Themen auseinander, aber eines, das mich wirklich fasziniert, ist das Erkennen von Lügen. Ich wollte immer schon wissen, woran man erkennen kann wenn jemand lügt und ob das überhaupt verlässlich möglich ist.

Lügen und Emotionen

Gleich vorweg: Lügen hat mit Emotionen zu tun. Wenn man jemanden anlügt, hat man etwas zu verbergen. Das kann ganz verschiedene Gründe haben, die nicht immer offensichtlich sein müssen. Z.B. hat man vielleicht Angst vor der Reaktion des Gegenübers oder man schämt sich dafür was man getan hat, oder man fühlt sich schuldig. Möglicherweise fühlt man sich aber auch froh und erleichtert, dass das Gegenüber die Lüge nicht bemerkt hat oder traurig, weil man den/die Andere:n verletzen könnte.
Es ist nicht per se möglich, „das Lügen“ zu erkennen, aber man kann die Emotionen erkennen, die die Person hat und sie interpretieren. Je besser man jemanden kennt, desto leichter ist das natürlich. Wir wissen im Normalfall wie die beste Freundin oder der Partner schaut, wenn er Angst hat oder sich schuldig fühlt.

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Nachdem Emotionen für die Lügenerkennung so wichtig sind, hier ein kurze Hintergrundinfo zu Emotionen: Es gibt sogenannte Basisemotionen, die in (fast) allen Kulturen vorkommen und einen zuordenbaren Gesichtsausdruck haben. Mit anderen Worten: Angst sieht in (fast) jeder Kultur gleich aus. Diese Basisemotionen sind: Freude, Wut, Ekel, Angst, Ärger und Überraschung. Auch Scham und Schuld sind Emotionen mit erkennbarem Gesichtsausdruck.

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Der Psychologe Paul Ekman hat dafür sogar ein Kodiersystem ausgearbeitet. Mit dem sogenannten FACS (Facial Action Coding System) kann man lernen, welche Gesichtsmuskeln bei welchem Emotionsausdruck aktiv sind. Dieses Kodiersystem kann man natürlich lernen, es ist allerdings sehr mühsam und zeitaufwändig.
Zwar haben diese Emotionen theoretisch immer den gleichen Ausdruck – die gleichen Muskeln im Gesicht werden bewegt – praktisch sieht das natürlich bei jedem Menschen anders aus. Scham und Schuld sind gute Beispiele dafür, dass Emotionen auch viel mit Kultur und Sozialisation zu tun haben: ob eine Emotion gezeigt werden darf hängt von kulturellen Regeln ab. Etwas verallgemeinernd ist es z.B. üblich, dass Mädchen wenig Wut zeigen und Jungen wenig Angst.


erkennbare Anzeichen

Ein Anzeichen für Lügen sind sogenannte Manipulatoren. Wenn jemand beispielsweise häufig am Ohrläppchen spielt oder sich ständig an der Nase kratzt können das Anzeichen für Nervosität sein. Die Person versucht sich unbewusst so zu beruhigen. Möchte man eine Lüge erkennen, sollte man die Person also vor sich haben und ihre mimischen und gestischen Reaktionen auf die Fragen beobachten können. Je stärker die Emotion hinter der Lüge, desto leichter ist es sie zu erkennen. Leichte Traurigkeit zu verbergen ist viel einfacher als ein nagendes Schuldgefühl. Wenn man sein Gegenüber also aufmerksam beobachtet, kann man einige Anzeichen für eine Lüge entdecken.

Lügendetektoren

Eine Form der Lügenerkennung sind Lügendetektoren (auch Polygraphen genannt). Diese werden meist am Herz und an der Hand der Person angebracht und messen physiologische Reaktionen. Der Gedanke dahinter ist der, dass man nervös ist, wenn man lügt und sich dann der Herzschlag beschleunigt oder die Hände schwitzig werden. Das Problem dabei ist allerdings, dass diese Reaktionen auch aus anderen Gründen auftreten können. Es gibt dafür ein sehr drastisches Beispiel: Wird eine Person des Mordes am Nachbarn verdächtigt und reagiert auf die Konfrontation mit dem Vorwurf mit Nervosität, geht man davon aus, dass die Person schuldig ist.

Möglicherweise hatte derjenige jedoch nur ein Verhältnis mit der Nachbarin und hat Angst, dass das raus kommt.
Menschen zeigen physiologische Reaktionen aus den unterschiedlichsten Gründen. Ein Lügendetektor kann – nur mäßig zuverlässig – eine physiologische Veränderung feststellen, die Ursache dafür muss man allerdings ohnehin selbst herausfinden.


Also kann man Lügen jetzt erkennen oder nicht?

Weder ein Lügendetektor noch ein Mensch sind verlässliche Lügenerkenner. Wie fast immer in der Psychologie ist auch hier keine absolut verlässliche und allgemeingültige Aussage möglich. Als Fazit  könnte man sagen: Es gibt keine Methode, die zu 100% richtig liegt bei der Lügenerkennung. Man kann aber mit ein wenig Übung und Feingefühl Anzeichen entdecken, die begründeten Zweifel zulassen. Dann steht man allerdings noch immer vor der Herausforderung, die Beweggründe für die Lüge zu ergründen. Gut, die Person hat vermutlich nicht die (ganze) Wahrheit ausgesprochen, aber was davon war gelogen und weshalb? Die gute Nachricht: grade bei Personen, die einem nahe stehen reicht oft bereits der begründete Verdacht, um den/die Lügner:in dazu zu bewegen, die Wahrheit zu erzählen.


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