Eine Liebeserklärung an das Lesen


Lesedauer: 2 Minuten

In meinen Achtsamkeitskursen erlebe ich selbst gemeinsam mit den Teilnehmenden immer wieder etwas Altbekanntes neu. Allein dadurch, dass ich für mich selbstverständliche Dinge betrachte wird mir oft bewusst, wie viele Kleinigkeiten des Alltags eigentlich Luxus sind und wie wenig Wertschätzung ich diesen Dingen oft entgegen bringe.

In einer Dokumentation über Zen und Gartenkunst sagte einer der Mönche, Zen sei, die Persönlichkeit jedes Steins wertzuschätzen. Da uns im hektischen Alltag genau diese Qualität des Erlebens oft verloren geht, möchte ich heute etwas ganz Alltägliches beleuchten, das eigentlich ein riesiger Luxus ist und das in verschiedener Hinsicht: das Lesen.

Über alle Zeiten hinweg

Allein die Tatsache, dass uns über Schriftsprache möglich wird, an den Gedanken von Menschen teilzuhaben, die schon Jahrtausende tot sind, ist schon beeindruckend. Wir haben die Möglichkeit, etwas zu erlernen, das uns über Distanzen und sogar über die Zeit hinweg mit anderen verbindet. Wir können unsere Gedanken, Sorgen, Theorien und Nachrichten festhalten und mit anderen teilen, müssen dabei nicht anwesend sein und in Zeiten des Internets geht das sogar annähernd in Echtzeit! Auch wenn es häufig schwer fällt, das gesprochene Wort ohne Körpersprache, Mimik oder Betonung genauso zu verstehen, wie vom Sender gemeint, ist es doch ein unglaubliches Geschenk, dass unsere Wort so festgehalten und unsere Gedanken geteilt werden können.

In anderen Schuhen gehen

Neben diesem verbindenden Element über die Zeit hinweg ermöglicht uns das Lesen auch noch etwas anderes: Wir können in ein anderes Leben, eine andere Zeit, ein anderes Geschlecht oder einen anderen Beruf eintauchen. Mithilfe unserer Fantasie und den Worten anderer Menschen gelingt es uns, Reisen zu unternehmen ohne das Sofa zu verlassen, in fremde und fantastische Welten einzutauchen und diese Welt zu jeder uns passenden Zeit zu betreten oder zu verlassen. Wir können Sie mitnehmen und darin verschwinden, wann immer wir eine Auszeit vom Alltag brauchen. Und wenn diese Erzählungen auf Tatsachen beruhen, erweitern wir auch noch unser Wissen und Verständnis für unsere Mitmenschen und deren Leben.

Fürs Leben lernen

Das Eintauchen ins Leben anderer bietet uns neben dem praktischen Wissenserwerb auch noch etwas anderes, es kann eine Schule fürs Leben sein. Denn ich muss meine Fantasie und meine Gedankenwelt bemühen, um mich in diese Welt zu begeben. Und so schaffe ich eine wunderbare Grundlage für eine sehr wichtige Fähigkeit: die Empathie. Ich kann üben, mich in andere hineinzudenken und hineinzufühlen, kann freundschaftliche Gefühle für Charaktere oder Geschichten entwickeln, liebe, leide und lebe mit den Personen der Geschichte. Und ich lerne verschiedene Formen von Beziehungen, Lebensgestaltung, Nöte und auch Träume kennen. Natürlich kann ich mir auch einfach in Form von Sachbüchern Wissen anlesen und auch auf diese Art etwas fürs Leben lernen. Und ganz nebenbei trainiere ich auch noch meine Konzentration.

LeZen

Um den Bogen zum Anfang zu spannen: Lesen ist eine wunderbare Achtsamkeitsübung. Denn wenn ich nicht aufmerksam bin, für das was ich lese, werde ich den gleichen Satz fünfmal lesen müssen, ohne jedoch den Sinn der Aussage zu begreifen. Es hat einen Grund, dass Achtsamkeit, Yoga und co. gerade so im Trend sind. Denn wir Menschen verlernen durch den Gebrauch neuer Medien langsam, unsere Aufmerksamkeit für längere Zeit zu konzentrieren. Das zeigt sich z.B. auch in Blog- oder Zeitungsartikeln. Übersteigt deren Lesedauer die 5-Minuten-Grenze, werden sie häufig nicht (zu Ende) gelesen. Die gute Nachricht: die Aufmerksamkeit für längere Zeit zu halten ist Übungssache. Noch besser: beim Lesen geht das nebenbei. Denn nebenbei Lesen funktioniert nicht.


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