Über Umwege


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In Zeiten der Leistungsgesellschaft, in der Perfektion in allen Lebenslagen das Gebot ist, wird häufig ein geradliniger Lebenslauf erwartet. Von Beginn an wissen, wohin die Reise gehen soll, zielstrebig darauf hinarbeiten, bloß keine Umwege. Dabei gibt es den schönen Spruch: „Wenn du es eilig hast, mache einen Umweg“

Das Umwege gehen ist in einer so schnelllebigen und auf maximalen Gewinn ausgerichteten Gesellschaft wie der unseren kein besonders geschätzter Wert. Aber es hat einen Grund, dass Spiritualität, Yoga, Entspannungsverfahren und Achtsamkeit einen solchen Boom erfahren. Uns fehlt die Ruhe. Und einen Umweg zu gehen bringt Ruhe ins Leben.

Umwege im Leben

Wenn wir von Umwegen sprechen, meinen wir häufig Phasen im Leben, die wir im Nachhinein als „Fehle“ beschreiben würden, für die wir uns vielleicht schämen. Einen Beitrag zum konstruktiven Umgang mit Fehlern finden Sie hier. Aus Sicht von jungen Menschen auf dem Weg zu einem Ziel erscheint ein Umweg zunächst wie eine Katastrophe. Aus Sicht einer lebenserfahrenen Person, die auf ihren Umwegen einiges Neues lernen durfte, interessante Menschen kennengelernt und neue Perspektiven erlebt hat, erscheint ein Umweg wie etwas erstrebenswertes. Wenn man länger darüber nachdenkt, erscheint es fast schon skurril, diese Forderung nach einem geradlinigen Lebenslauf: in einer komplex vernetzten, auf Kooperation und internationalem Handel basierenden Welt verlangen wir einen geradlinigen, einfachen Lebenslauf ohne Einblicke in andere Bereiche und damit ja auch Berührung mit anderen Lebenswelten.

Der Weg zu Dir

Wer Umwege geht, hat sich manchmal einfach nur verlaufen, ist auf der Suche nach sich selbst. Dann folgt die Entdeckungs- und Explorationsphase, in der sich ein Zugang zum eigenen Selbst auftut, der auf einem geraden Weg verborgen geblieben wäre. Denn ohne Notwendigkeit der Selbstreflexion bleibt uns ihr Wert häufig verborgen. Erst, wenn die Seele um Hilfe ruft, hören wir in uns hinein. Das erlebe ich in meiner Praxis jeden Tag. Da fallen dann Sätze, wie „darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber jetzt wo ich (beliebiges Symptom) habe, muss ich mich wohl damit auseinandersetzen“. Wir tendieren dazu, nur die angenehmen Selbsterkenntnisse zu erstreben und die unangenehmen Auseinandersetzungen mit uns selbst zu vermeiden. Aber: beides ist eine Erkenntnis über uns selbst, kein Mensch ist eindimensional und wir haben alle ganz verschiedene Seiten an uns, die es sich zu erforschen lohnt. Manchmal eben auf Umwegen.

Neue Wege gehen

Hin und wieder einen Umweg zu gehen kann sehr befreiend sein, denn wir hinterfragen so gleichzeitig den für uns vorgesehenen geradlinigen Weg. Muss ich das so machen? Geht es nicht auch anders? Möchte ich den gerade Weg überhaupt gehen? Und manchmal findet sich eine Abkürzung. In jedem Fall ist man ohnehin schon vom geraden Weg abgewichen und kann sich Zeit nehmen, die Umgebung auf einen wirken zu lassen und zu genießen, was der Weg für einen bereit hält. Denn, Umweg oder nicht, wir gehen alle einen Lebensweg, der irgendwann enden wird. Start und Endpunkt (und so manche Bedingung) sind vorgegeben. Die Route dürfen wir uns allerdings aussuchen.


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