Die beste Version von mir

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Leistungsdruck ist ein Merkmal unserer Gesellschaft. Immer mehr Menschen fühlen sich zur Optimierung gezwungen. Das sieht man schon daran, dass das Internet voll ist von Millenial-Memes, die genau diesen Aspekt ihres Lebens darstellen und kritisieren. Aber gibt es das – die beste Version von mir?

Versteckter Leistungsdruck

Bei Leistungsdruck denken wir häufig an ausgesprochene Erwartungen und jemanden, der mit der sprichwörtlichen Peitsche hinter einem steht. Viel schwieriger zu erkennen und zu verändern ist aber der implizite Leistungsdruck. Also die nicht ausgesprochenen Erwartungen. Denn die können zu unserem eigenen Auftrag werden. Und dann ist es der innere Antreiber, der die Erwartungen an uns stellt. Es kommt eben niemand mehr von außen mit einer bestimmten Erwartung an mich. Und trotzdem kann der Eindruck entstehen, der eigene Wert hängt von den Leistungen ab. In einer Gesellschaft, in der Burnout fast schon zum guten Ton gehört, ist es schwierig sich von solchen Überzeugungen zu lösen.

Selbstoptimierung – die beste Version von mir

Der Leistungsdruck macht nicht mehr nur in der Arbeit halt. Auch im Privatleben ist er längst angekommen. Im allseits beliebten Wörtchen Selbstoptimierung begegnet er uns ebenfalls wieder. Vordergründig scheint es hier um Wohlbefinden zu gehen. Sprüche wie „Sei die beste Version von dir“ oder „Stärke deinen Selbstwert“ können ebenfalls Druck erzeugen. Und sie implizieren, dass es so etwas gibt: eine gute und eine schlechte Version von mir. Dabei gehören zum Menschsein eben beide Seiten: angenehme und unangenehme. Und beide mit anderen Menschen erleben und teilen zu können, das bedeutet wirklich leben. Sich selbst körperlich oder gar in der eigenen Persönlichkeit zu optimieren heißt oft nur, anderen Standards und Erwartungen zu folgen. Viel gesünder wäre es aber, die authentische Version von dir zu sein!

die beste Version von mir auf der Bühne des Lebens

Häufig führt die Erwartungen der Selbstoptimierung dazu, dass wir ein Theaterstück aufführen. Wir versuchen die Erwartungen der Anderen zu erraten und dann darzustellen, was wir glauben, dass sie sehen wollen. In gewisser Weise normal und auch unproblematisch. Hin und wieder kann es nötig sein, sich auf Andere einzustimmen oder Erwartungen gerecht zu werden. Aber das Leben findet öfter hinter der Bühne statt als vor der Bühne. Wir haben Lampenfieber, vergessen unseren Text, brauchen Unterstützung von anderen. Und dafür müssen diese Menschen hinter unsere Bühne kommen. An der Stelle, an der uns das nicht mehr möglich ist – die Anderen könnten ja sehen, dass ich gar nicht perfekt bin – hindert uns die Selbstoptimierung am Leben. Da, wo ich darunter leide, z.B. einsam bin oder in ständiger Anspannung lebe, beginnt die psychische Erkrankung.

Auf einer Bühne sitzt ein Mann auf einem Stuhl, hält ein Blatt Papier in der linken Hand und fasst sich mit beiden Händen verzweifelt an den Kopf. Der Mann trägt dunkle Kleidung und eine Uhr, die Szene ist nur schwach beleuchtet. Symbolbild für die beste Version von mir. Erwartungen von Anderen, die krank machen können.

echte Begegnung – über das Menschsein

Es kann Angst machen, dieses Menschsein. Man macht sich angreifbar, verletzlich. Aber eben auch berührbar. Und echte Begegnung zweier Menschen passiert erst da, wo beide hin und wieder verletzlich sein können. Wo jede:r so angenommen wird, wie er:sie ist. Mit allen Ecken und Kanten und all den Facetten, die wir auf der Bühne lieber nicht zeigen. Eben allen ungefilterten Gefühlen. Gefühle sind unsere täglichen Begleiter – und manchmal doch ein großes Rätsel. Als Anzeiger für unsere Bedürfnisse bedeutet das auch, dass wir in der echten Begegnung mit anderen eine Chance habe, dass meine Bedürfnisse erfüllt werden. Und das wiederum, schafft Wohlbefinden und Gesundheit.